ZWEI KÖNIGE

In den 50er- und 60er-Jahren war Bud Ekins unumstrittener Champion der US-Desert-Racer, seine legendären Siege machten ihn zum »King of California«. Außerdem hatte er großen Anteil daran, dass auch Steve McQueen als König verehrt wurde, wenn auch nur als »King of Cool«. Die Geschichte einer außergewöhnlichen Männerfreundschaft.

»Hast du einen Anzug?« »Hab’ ich.« »Dann zieh’ ihn an, wir treffen gleich John Sturges.« Würde man diesen 57 Jahre alten Dialog in die Jetztzeit übertragen, müsste man den Namen John Sturges vielleicht durch Steven Spielberg ersetzen. Oder Quentin Tarantino. In etwa diesen Bekanntheitsgrad hatte im Jahr 1962 der US-amerikanische Filmregisseur John Sturges, der wie kein Zweiter das Genre der Westernfilme geprägt hatte. Der kurze Dialog spielte sich zwischen einem Motorradhändler und einem seiner Kunden ab, was allein schon erstaunlich ist. Nicht minder erstaunlich jedoch ist die Vorgeschichte.

Der Händler hieß Bud Ekins und hatte in seinem Laden am Ventura Boulevard in Sherman Oaks stets eine feine Auswahl der neuesten Triumph-Modelle in der Auslage. Die schicken Brit-Bikes zogen in erster Linie junge Burschen an, und weil der Ventura Boulevard von Hollywood aus mit einer kurzen Fahrt durch die Berge in einer Viertelstunde zu erreichen war, fand eine illustre Kundschaft den Weg in Bud’s Motorcycle Store: Warren Beatty, Paul Newman und Dennis Hopper hingen ebenso gern in seinem Shop ab wie Clint Eastwood und eben Steve McQueen, mit dem Ekins schon bald eine besondere Freundschaft verbinden sollte.

Die nahm ihren Lauf, als McQueen im Jahr 1959 bei einer Ausfahrt mit Dennis Hopper über den Sepulveda Boulevard abseits der Straße ein paar Kerle auf Motorrädern in den Hügeln herumfahren sah, was auch in Hollywood kein alltäglicher Anblick war. McQueen war auf Anhieb begeistert, hatte die Jungs angesprochen, ihre Motorräder inspiziert und so auch erfahren, wo man solche »Dirt-Bikes« kriegen konnte. Schon am nächsten Tag stand er bei Bud Ekins im Laden und fragte nach einem »500er Triumph Dirt-Bike« – und nach einer Probefahrt in der Wüste.

McQueen war zu der Zeit schon auf dem besten Weg zum Petrolhead mit einem Faible für rassige Autos und Motorräder, diese Offroad-Bikes jedoch waren ihm noch fremd. Was sich von Bud Ekins so nicht sagen lässt: Vier Jahre zuvor hatte er auf einer Matchless den legendären Catalina-Grand-Prix gewonnen, bei dem hunderte Fahrer auf dem sechs Meilen langen On- wie Offroad-Kurs alljährlich schwerste Eingriffe in die Topographie der Pazifikinsel Santa Catalina vornahmen – nicht ganz zu Unrecht nannte man das Eiland vor Los Angeles auch die »amerikanische Isle of Man«. Auch den gut 150 Meilen langen »Big Bear Run«, das wichtigste US-Wüstenrennen jener Zeit, hatte er 1959 bereits zum dritten Mal gewonnen, in dem Jahr mit mehr als einer halben Stunde Vorsprung vor dem Zweitplatzierten. Bud Ekins war der dominierende US-Offroad-Champion jener Zeit und bereits in Europa gegen die Moto-Cross-Elite angetreten, was auch das Verhältnis zur oben beschriebenen Kundschaft relativiert: Bud Ekins schmückte sich nicht mit Filmstars. Sie schmückten sich mit ihm.

Von daher war er sicher nicht der schlechteste Ansprechpartner für eine Offroad-Fahrstunde und so brachen Bud Ekins und Steve McQueen zu ihrem ersten gemeinsamen Ausritt auf, der am Ende nicht nur einen ganzen Tag lang dauern und den Kauf der Triumph besiegeln, sondern außerdem eine tiefe Freundschaft begründen sollte. Dass die beiden sich auf Anhieb so gut verstanden, ist nicht verwunderlich. Beide waren im Frühling des Jahres 1930 zur Welt gekommen, beide hatten sie eine eher problematische Jugend durchleben müssen und beide waren verrückt nach Motorrädern.

McQueen erwies sich als ebenso talentierter wie nimmersatter Schüler, der sich auch dann noch regelmäßig mit Bud Ekins traf, als seine Schauspiel-Karriere dramatisch Fahrt aufnahm und ihn zum vielbeschäftigten Leinwandstar machte. Doch brachte ihm Bud Ekins nicht nur das Offroad-Fahren, sondern auch das Schrauben bei, denn in der Wüste gab es keine Mechaniker. McQueen wollte schließlich nicht nur »just for fun« im Dreck umherfahren, sondern auch bei Rennen antreten, im Idealfall gar gewinnen.

Genau das passte seinen Studiobossen so gar nicht. McQueen war in den frühen Sechziger Jahren nicht nur einer der bestbezahlten, sondern auch bestversicherten Schauspieler Hollywoods (»The Million-Dollar-Body«), in seinen Verträgen war explizit festgeschrieben, was er in seiner Freizeit darf und was nicht. An Motorrad-Wüstenrennen teilzunehmen, gehörte definitiv nicht dazu. Doch McQueen interessiert sich nicht für Vertragsklauseln, für ihn waren seine Motorradfluchten auch stets eine willkommene Auszeit von den »fucking suits from Hollywood«, wie er gern betonte. Dabei war er stets anonym unterwegs und wenn er sich bei einem Rennen dann doch mal in eine offizielle Starterliste eintragen musste, tat er das unter dem Pseudonym »Harvey Mushman«.

Seine Fahrkünste hatten sich unter Bud Ekins Anleitung prächtig entwickelt, und sicher wäre er bald schon zum Lizenzfahrer aufgestiegen. Doch weil er aus Zeitgründen nicht an ausreichend vielen Rennen teilnehmen konnte, um die nötigen Punkte für eine Lizenz einzufahren, musste er stets in der Amateurklasse antreten. Die gewann er meist mit großem Vorsprung und ließ selbst viele Lizenzfahrer noch hinter sich, wobei er einen durchaus rustikalen Fahrstil pflegte, den Bud Ekins einmal so beschrieb: »Steve fuhr wie eine hart gestoßene Billardkugel und rempelte da und dort an. Aber wenn er im Ziel ankam, war er unter den Schnellsten.«

Außerdem lässt McQueen keine Gelegenheit ungenutzt, Beruf und Hobby zu verquicken. So kommt es eines Tages dann auch zu der eingangs zitierten Anzug-Frage. McQueen ist als Hauptrolle in dem Film »The Great Escape« besetzt (deutscher Titel »Gesprengte Ketten«), der Geschichte der letztlich gescheiterten Flucht einer Gruppe Kriegsgefangener aus einem deutschen Lager. Die Dreharbeiten in Deutschland unter Starregisseur John Sturges standen kurz bevor, doch hatte McQueen Einfluss auf das Drehbuch genommen und darauf bestanden, dass eine Verfolgungsjagd auf Motorrädern in die Handlung eingebaut wird. Für diese Fahrszenen, vor allem aber für den dramatischen Fluchtsprung über einen Stacheldrahtzaun wollte McQueen Bud Ekins als Stunt-Double. Und weil man McQueen zu der Zeit nur noch schlecht etwas abschlagen konnte, saß Bud Ekins schon kurze Zeit später in einem Flugzeug, das ihn nach München brachte, gedreht wurde der Film in der Nähe von Füssen.

McQueen hätte den Sprung wohl gern selber versucht, doch die Produzenten verboten ihm den riskanten Stunt, zumal niemand sagen konnte, wie die Nummer ausgeht. Auch Bud Ekins nicht. Immerhin sollte er mit einer rund 170 Kilo schweren Triumph TR6 Trophy einen Zaun überspringen, über dessen Höhe bis kurz vor dem Dreh noch diskutiert wurde. Der Regisseur John Sturges hatte Ekins gefragt: »Wenn wir hier einen Zaun bauen, könntest du drüberspringen?« Ekins: »Ich denke schon.« Sturges: »Und wie hoch darf der Zaun sein?« Ekins: »Vielleicht vier bis fünf Fuß.« Sturgis: »Hmm … ich meinte eigentlich einen hohen Zaun.« Ekins: »Wir werden sehen …«

Welchen Vorlauf diese Sprungszene hatte, darüber gehen die Erinnerungen offensichtlich auseinander. Während die einen behaupten, Ekins habe erst einen Tag vor dem Dreh mit ein paar Übungssprüngen begonnen, erinnern sich ortsansässige Zeitzeugen an wochenlange Dreharbeiten, bis der Sprung endlich gelungen war. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen, an den Sprung selber erinnerte Bud Ekins sich später so: »Am Drehort waren hunderte Leute, die ganze Crew und viele andere Schauspieler wollten zusehen. Ich bin dann vorsichtshalber etwas schneller gefahren als bei den Proben, und als ich in der Luft war, ging der Motor aus. Da registrierte ich, das ringsum Totenstille herrschte. Aber direkt nach der Landung brach dann der Jubel los.« Die Szene war im Kasten und der waghalsigste Stunt seiner Zeit konnte in die Kinogeschichte eingehen.

Mit diesem kolossalen Hüpfer im Allgäu legte Bud Ekins den Grundstein für seine nunmehr bereits dritte Karriere. Als Rennfahrer immer noch aktiv und überaus erfolgreich, war er inzwischen außerdem zu einem der erfolgreichsten Triumph-Händler der Welt aufgestiegen. Ein Umstand übrigens, der ihm ein weiteres Ruhmesblatt in seinem Buch legendärer Erfolge verwehrte. Eigentlich wollte Ekins im Auftrag von American Honda Motors im März 1962 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Dave, ebenfalls höchst erfolgreicher Desert-Racer, auf zwei CL 72-Scramblern eine besondere Pionierfahrt auf der Baja California von Tijuana nach La Paz unternehmen. Bei dieser Fahrt galt es keinen Rekord zu brechen, sondern eine erste Zeit zu setzen, denn nie zuvor hatte jemand die tausend Meilen lange Strecke durch die Wüste mit einem Motorrad zurückgelegt.

Doch zu der Zeit verkaufte niemand in den Staaten mehr Triumphs als Bud Ekins, weshalb ihm sein Triumph-Distributor Johnson Motors schlichtweg nicht gestattete, in den Sattel einer Honda zu steigen. So konnte Bud Ekins dieses Kapitel der Motorsport-Historie nicht mitschreiben. Sein Bruder Dave fand in Bill Robertson jr. einen neuen Mitfahrer, absolvierte den Horror-Trip in weniger als 40 Stunden und schuf damit eine Marke, aus der sich am Ende eine legendäre Rennveranstaltung entwickeln sollte – die Baja 1000. Bud Ekins war stattdessen spektakulär über einen Zaun geflogen, und dieser erste Auftritt als Stuntman sollte nicht sein letzter bleiben.

Doch über allem anderen stand für ihn zunächst weiterhin die Rennerei. Er vertiefte seine europäischen Moto-Cross-Connections, importierte die Offroad-Rennerei auf abgesperrten Rundkursen auch in die USA und pflegte enge Beziehungen zu den Stars der Szene. So holte er auch die mehrfachen Weltmeister Joël Robert, Roger de Coster oder auch Europameister Dave Bickers in die Staaten, brachte sie in seinem Haus und auf den Starterlisten diverser Wüstenrennen unter, damit sie ihre Fahrkünste im offenen Gelände vertiefen konnten.

Neben den Wüstenrennen hatte Bud Ekins auch mehrfach an den Internationalen Six Days Trials teilgenommen, der Weltmeisterschaft für Nationalmannschaften. Logisch, dass auch Steve McQueen da mitmischen wollte und so kommt es im Jahr 1964 tatsächlich zu einer geradezu historischen Unternehmung: »Hollywood behind the Iron Curtain« titelten die großen amerikanischen Motorsport-Magazine, als das fünfköpfige US-Team mit Bud Ekins, Dave Ekins, Steve McQueen, John Stehen und Cliff Coleman mitten im Kalten Krieg in Erfurt bei den Six Days antraten. Das überhaupt ein US-Team hinter den eisernen Vorhang reiste, war allein schon einen großen Aufmacher wert. Doch das zum Team auch noch der berühmteste Hollywood-Star seiner Zeit gehörte – der im Übrigen die gesamte Expedition aus seiner Tasche finanzierte, während Ekins sich um die Logistik kümmerte –, war schlichtweg eine Sensation. Bud Ekins nahm insgesamt sieben Mal an den Six Days teil und errang in der Zeit vier Goldmedaillen und gewann einmal Silber, und auch in Erfurt lag die US-Mannschaft in Front, als es am dritten Tag gleich zwei Fahrer des Teams erwischte: McQueen wurde in einen Unfall verwickelt und erlitt schwere Prellungen und Gesichtsverletzungen, Bud Ekins brach sich den Knöchel. In diesem Jahr gab es keine Medaillen.

Aber es gab weitere Engagements als Stuntman. Nach seinem Stuntwork in den Filmen »Cincinnati Kid« und »Speedway« setzte Bud Ekins 1968 im Film »Bullit« einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Filmstunts, wenn auch auf vier Rädern. Die Verfolgungsjagd in den Hügeln von San Francisco zwischen einem Mustang 390 GT und einem Dodge Charger wird von Cineasten als die Geburtsstunde des Action-Kinos angesehen, machte McQueen zum unumstrittenen Helden dieses Genres und festigte seinen Nimbus als »King of Cool«. Am Steuer des Mustang saß jedoch zumeist sein Freund Bud.

Doch Ekins doubelte schon bald nicht mehr nur McQueen. Er wurde zu einem der gefragtesten Stuntmen und Stuntkoordinatoren Hollywoods, stellte seine Karriere als Rennfahrer hintenan und widmete sich mehr und mehr seiner neuen Aufgabe im Filmbusiness – mehr als 30 Jahre lang. Im Jahr 1980 war er dann als Stuntman an einer weiteren Bestleistung des Genres beteiligt, als er gemeinsam mit vielen Kollegen im Film »Blues Brothers« insgesamt 103 Autos in nur einem Film zu Schrott fuhr, mehr als je zuvor. Doch brachte dieses Jahr für Ekins auch einen harten Einschnitt: Sein bester Freund Steve McQueen starb im Alter von nur 50 Jahren nach einer Krebsoperation in Mexiko an einem Herzinfarkt. Ekins nahm danach zwar gelegentlich noch an Motocross-Rennen teil und ließ sich auch weiterhin für Stunt-Jobs engagieren, doch machte ihm all das keinen rechten Spaß mehr: »Nichts war mehr wie früher. Steve fehlte mir.«

Auch das Sammeln von Motorrädern brachte ihm keine Freude mehr, denn selbst dabei hatten er und McQueen stets in einer Art Wettstreit gelebt. »Ich habe 40 Jahre lang Motorräder gesammelt und besaß Maschinen von 50 verschiedenen US-Herstellern. Steve war mir bald dicht auf den Fersen, hatte aber nur drei oder vier Jahre gebraucht, um beinahe die gleiche Anzahl Motorräder zu besitzen – ich denke, dass hatte was mit dem Geld zu tun.« Dennoch besaß Ekins eine der bedeutendsten Sammlungen historischer Motorräder in den USA, rund 150 Bikes hatte er zusammengetragen.

In den neunziger Jahren zog er sich dann in einen schlichten Backsteinbau in North-Hollywood zurück, eröffnete erneut ein Motorradgeschäft und reparierte dort wieder englische Motorräder für Hollywood-Stars. Seine Sammlung löste er auf, behielt nur ein paar Dutzend Maschinen und lebte daneben von der schmalen Rente, die er sich als Stuntman verdient hatte. An der »Budweiser«-Neonreklame in seinem Schaufenster leuchteten nur noch die ersten drei Buchstaben und in der Mitte der Halle stand ein Billardtisch, um den sich immer wieder alte Freunde versammelten und bei einem Bier von den alten Zeiten erzählten. Der Gesprächsstoff dürfte ihnen dabei wohl nicht ausgegangen sein.

1980 schon war Bud Ekins in die »Offroad-Motorsports Hall of Fame« aufgenommen worden, im Jahr 1999 dann wurde ihm eine weitere besondere Ehrung zuteil: Gemeinsam mit seinem Freund Steve McQueen fand er in dem Jahr auch seinen Platz in der »AMA Motorcycle Hall of Fame«, dem Olymp des amerikanischen Motorsports.

Am 6. Oktober 2007 starb Bud Ekins, »The King of California«, im Alter von 77 Jahren in Los Angeles.

Im Magazin OLDTIMER MARKT erschien meine Geschichte über die beiden Petrolheads Bud Ekins und Steve McQueen, die neben ihrer eigenen auch eine gemeinsame Karriere hatten.

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